Kieler Praxis

Empfehlungen zur Zusammenarbeit von Familiengericht, Amt für Familie und Soziales, Beratungsstellen und Rechtsanwaltschaft zur Umsetzung von gerichtlichen Sorge- und Umgangsverfahren in Kiel

Präambel

Ausgangspunkt zur Entwicklung dieser Handlungsempfehlungen sind die bisherigen Erfahrungen und neue Erkenntnisse  zur Trennungs- und Scheidungsberatung sowie die bevorstehenden gesetzlichen Regelungen über das Verfahren in Familiensachen. Ziel ist es, sinnvolle und praktikable Regelung zu vereinbaren, die dem Kindeswohl, den Verfahrensvorgaben und dem Geist des neuen Gesetzes entsprechen. Diese Vereinbahrung gelten in der Regel als verbindlich.

Die Empfehlung wurde erstellt von einem Arbeitskreis bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern des Familiengerichtes, dem Amt für Familien und Soziales, Allgemeiner Sozialdienst (ASD), den Erziehungsberatungsstellen und Rechtsanwälten für Familienrecht in Kiel.

Ziele

Ziel ist es, die Eltern dahingehend zu stärken, dass sie in die Lage versetzt werden, verantwortlich und einvernehmlich die Entscheidung zu treffen, die dem Wohl ihrer Kinder am besten entsprechen.

Gemeinsame Grundannahmen

Eltern tragen auch nach einer Trennung fortdauernd die gemeinsame elterliche Verantwortung für ihre Kinder. Das wird durch die gemeinsame elterliche Sorge am besten gewährleistet.

Kinder haben das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil. Dies liegt in der Verantwortung der Eltern. Dem Wohl der Kinder, die die Trennung der Eltern erleben, entspricht es in der Regel, einen verlässlichen und ununterbrochenen Kontakt zu beiden Eltern zu halten. Dafür ist es erforderlich, dass ein einvernehmlicher, spannungsfreier und für die Kinder durchschaubarer Umgang praktiziert wird.

Verantwortung der staatlichen Stellen. der Organe der Rechtspflege, wie die beauftragten Stellen der freien Träger ist es, bei gerichtlicher wie außergerichtlicher Auseinandersetzung zwischen den Eltern über das Sorge- und Umgangsrecht zügige und unbürokratische Verfahrensweise zu gewährleisten.

Verfahrensweise

1. Das Gericht wird nach Eingang des Antrages sofort einen Termin zur mündlichen Anhörung der Beteiligten anberaumen, der spätestens 1 Monat nach Eingang des Antrages liegen sollte. Der Termin ist für alle Beteiligten verbindlich und wird nur in Ausnahmefällen verschoben. Um organisatorische Schwierigkeiten zu verhindern, wird sich das Gericht um eine telefonische Abstimmung mit dem ASD und den beteiligten Rechtsanwälten bemühen. Der Antrag und die Terminsladung werden dem ASD zur Beschleunigung des Verfahrens per Fax direkt an das zuständige Sozialzentrum übermittelt.

Das Gericht wird die Eltern zu dem Termin persönlich laden und sie im Ladungsschreiben auf Folgendes hinweisen:

  • Information über den Verfahrensablauf
  • Mitteilung des zuständigen Sozialzentrum und dessen Öffnungszeiten
  • Pflicht zur kooperativen Mitarbeit der Eltern und Wahrnehmung der Termine beim ASD

Die Verfahrensbeteiligten werden mit Übersendung einer Abschrift des Antrages zu dem Termin geladen und darauf hingewiesen, dass eine ausführliche schriftliche Erwiderung vor dem Termin nicht erforderlich ist. Das Unterbleiben einer Erwiderung durch den Rechtsanwalt verursacht keine Nachteile.

2. Die anwaltliche Beratung im Sinne dieser Empfehlung ist so ausgestattet, dass die Beteiligten ermutigt und dann darin unterstützt werden, ihre Meinungsverschiedenheiten auszuräumen. Ziel hierbei, ist, dass die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte respektieren sowie im Rahmen der familienrechtlichen Auseinandersetzung faire und einvernehmlich Lösungen anstreben.

Anwälte, die im Rahmen dieser Empfehlungen arbeiten,

  • unterstützen die Eltern darin, das Wohl der Kinder als ersten und wichtigsten Gesichtspunkt anzusehen
  • verstehen das Wohl der Kinder als die Gesamtheit der Bedingungen, unter denen das Bedürfnis der Kinder nach Liebe sowie nach Versorgung, Schutz, Zuwendung und nach Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit bestmöglich befriedigt wird.
  • berücksichtigen bei ihrer Arbeit und sämtlichen Entscheidungen stets. dass es für die gesunde Entwicklung der Kinder unerlässlich ist. ihre Bindung zu dem anderen Elternteil uneingeschränkt gut zu heißen,
  • begreifen das Bedürfnis nach einer unauflöslichen Eltern -Kind - Bindung als Priorität,
  • wirken schlichtend.

Ist trotz aller Bemühungen eine gerichtliche Entscheidung erforderlich, wird die verfahrenseinleitende Antragsschrift möglichst kurz gehalten. Sie formuliert die konkreten Interessen des antragstellenden Elternteils positiv und vermeidend globale Forderungen, ausführliche Beschreibungen von Missständen sowie Schuldzuweisungen. Gleiches gilt für den Erwiderungsschriftsatz.

3. Der ADS wird die Eltern zu Gesprächen in das Sozialzentrum einladen. Ziel ist es, bis zum ersten Gerichtstermin zwei Gespräche mit den Eltern gemeinsam zu führen, um mit ihnen ein einvernehmliches Konzept für die Sorge und Umgangsregeln zu entwickeln. Inwieweit dies gelingt, hängt von der Zusammenarbeitsbereitschaft der Eltern ab. Nur wenn keine gemeinsamen Beratungen beider Elternteile möglich sind, werden die Gespräche getrennt geführt. Die Kinder werden nicht in die Gespräche einbezogen.

Ein schriftlicher Bericht erfolgt nicht. Den Gerichtstermin nimmt die sozialpädagogische Fachkraft wahr, die auch die Beratungsgespräche geführt hat.

Wird in den Beratungsgesprächen Einvernehmen hergestellt, wird diese Einigung im Gerichtstermin schriftlich festgehalten und das Verfahren kann abgeschlossen werden.

4. Im Termin moderiert das Gericht ein offenes  Lösungsgespräch mir den Eltern und Anwälten. Die antragstellende Partei bekommt zunächst die Gelegenheit, ihren Standpunkt persönlich darzulegen. Anschließend kommt die Gegenseite zu Wort. Die Fachkraft des ASD berichtet mündlich über die Situation der Familie und den Beratungsprozess. Entscheidungsvorschläge oder Stellungnahmen werden nicht erbracht.

Kann im Rahmen des gerichtlichen Anhörungsverfahrens eine Einigung herbeigeführt werden, wird ein gerichtlicher Vergleich protokolliert. Wird keine Einigung erzielt, erfolgt ein Beschluss, mit einem die Eltern verpflichtenden Auftrag. Die Eltern werden an eine Beratungsstelle verwiesen.

Das Gericht prüft gegebenenfalls. ob eine einstweilige Anordnung nach § 52 Absatz 3 FGG erforderlich ist.

Der ASD vereinbart zum Ende des Gerichtstermins telefonisch für die Eltern eine ersten Beratungstermin in der Beratungsstelle. Der ASD übersendet der Beratungsstelle eine Überleitungsbogen. Den Beratungsauftrag erteilen die Eltern.

Die Beratungsstelle wird den Eltern einen Termin möglichst innerhalb der nächsten zwei Wochen anbieten. Ein Bestandteil der Einladung ist, dass eine Meldung an den ASD ergeht, wenn ein Elternteil oder beide die Beratungsstelle nicht aufsuchen. Der ASD informiert das Gericht.

5. Ziel der Trennungs- und Scheidungsberatung durch den Rechtsanwalt für Familienrecht ist, dass die Eltern klare Vorstellung darüber entwickeln, wie die gemeinsame Verantwortung ihren Kindern gegenüber umgesetzt werden kann. Die Eltern entwickeln ein einvernehmliches Konzept für die Sorge-  und Umgangsregelung. Die Inhalte der Beratung  unterliegen der Verschwiegenheitspflicht. Mitarbeiterin der Beratungsstellen treten nicht vor Gericht auf.

Erfolgt im Beratungsprozess eine einvernehmliche Vereinbarung. wird sie schriftlich protokolliert und von beiden Eltern unterschrieben, Die Eltern bzw. die Anwälte informieren das Familiengericht.

Werden Termine von den Eltern nicht eingehalten, erfolgt eine weitere Einladung schriftlich mit dem Hinweis, dass bei Nichterscheinen die Beratungsstelle gehalten ist, den ASD zu informieren.

Wenn kein Beratungsprozess läuft oder ein Termin zweimal hintereinander ausfällt, wird der ASD informiert und dies dem Gericht mitgeteilt.

6. Wird im Rahmen des Beratungsprozesses keine einvernehmliche Lösung erzielt, beraumt das Gericht einen zweiten Termin an. In diesem Termin wird das weitere Vorgehen besprochen. Erneut wird Ziel der Verhandlung sein, bei den Eltern einen Einigungsprozess in Gang zu setzen. Mögliche Ergebnisse des zweiten Termins können sein: einvernehmliche Vereinbarung, Sachverständigengutachten, gerichtliche Entscheidung.

Diese Empfehlungen treten am 01.10.2008 in Kraft und werden im Mai 2009 innerhalb des vereinbarten Arbeitskreises überprüft.

Wir weisen unsere Mandanten darauf hin, dass unsere Kanzlei an diesem Programm teilnimmt. Gerne erörtern wir mit Ihnen in einem gemeinsamen Gespräch die Vor- und Nachteile dieses Modells und die etwaigen verschiedenen Herangehensweisen.